Montag, 21. Januar 2013

Über die visuelle Vermischung von Dokumentar- und Werbefotografie


Ende Dezember ging im Haus der Kulturen der Welt in Berlin die sehr interessante und vielseitige Ausstellung „Über Grenzen“ der Berliner Fotografen-Agentur Ostkreuz zu Ende. Dort waren insgesamt 18 sehr unterschiedliche thematische und fotografische Herangehensweisen an das Thema zu sehen. „In ihrer neuen Gemeinschaftsausstellung erzählen die 18 Fotografen der Agentur OSTKREUZ Geschichten über Grenzen. Sie erforschen sichtbare und unsichtbare, territoriale, gesellschaftliche und ethische Grenzen“ hieß es in der Pressemitteilung zur Ausstellung. Die Spannweite der Arbeiten reichte von Reportagen aus Ländern des Südens, über Selbstportraits bis hin zur Auseinandersetzung mit der Deutsch-Deutschen Vergangenheit.

Interessant war die Ausstellung vor allem ausgehend von der Perspektive aktueller journalistischer Bildsprachen. So war es auffällig, dass einige Arbeiten die Grenzen der bildjournalistischen Darstellung hin zu Corporate-, Werbe- und Modefotografie ausloteten bzw. durchaus auch überschritten. So mutete die großformatige angelegte Arbeit von Frank Schinski über den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wie einem Corporate Magazin eines börsennotierten Konzerns entnommen. Die inhaltlich gut recherchierte und sehr spannende Arbeit „Terminal“ von Tobias Kruse stellte in ihrer Wandhängung das Bild einer halbnackten für die Kamera posierenden jungen Frau in den Vordergrund. Dieses Bild ist ästhetisch zwischen zeitgenössischer Modefotografie und Arbeiten von Larry Clark zu verorten. Bei dieser Optik ist es nicht verwunderlich, dass das Zeit-Magazin die Strecke druckte. Es bleibt jedoch ein komischer Beigeschmack bei der Zurschaustellung der fragilen Weiblichkeit im Bild der jungen Frau. Über die Bild-Inszenierung der Serie "Mission and Task" von Julian Röder erfährt der Betrachter nicht durch den erklärenden Bild-Text, sondern in einem Kommentar während einer öffentlichen Führung. Röder komponierte die Bilder der FRONTEXT Grenzschützer vor Ort und nutze die Hilfe eines Assistenten und eines Blitzgeräts zur Generierung der gewünschten Bildwirkung. Fragt sich, wie es um die Glaubwürdigkeit vermeintlich journalistischer Fotografie bestellt ist, wenn die Fotografen inszenatorisches Arbeiten nicht kenntlich machen. Darüber hinaus bleibt die Frage, warum es nötig ist, dieses Thema zu inszenieren. Andere Arbeiten zum Thema FRONTEX zeigen dass dies auch anders möglich ist.

Die hier angesprochen Arbeiten aus der Ausstellung weisen somit darauf hin, wie innerhalb der deutschen – sich politisch generierenden – Dokumentarfotografie die Grenzen zwischen Inszenierung und Dokumentation sowie werblicher und journalistischer Bildsprache verschwimmen. Angesichts der Strukturen des Bildermarktes und dem Zwang für viele Fotografen, sowohl klassische PR-Fotografie als auch journalistische Aufträge zu übernehmen ist dies nicht verwunderlich. Dazu kommen die Tendenzen Werbe- und Mode-Fotografie „reportagig“ zu gestalten. Dass dies irgendwann zu einem Boomerang-Effekt führt und Dokumentarfotografie werblich wird, ist dabei ein fast zwangsläufiger Nebeneffekt. Es ist jedoch zu fragen, ob es auf Dauer der Glaubwürdigkeit des journalistischen Bildmediums nicht mehr Schaden zufügen wird.

Der Katalog zur Ausstellung ist bei Hatje Cantz erschienen. Die Bildstrecken sind auch auf der Homepage der Agentur einsehbar http://www.ostkreuz.de/feature/