Donnerstag, 21. Februar 2013

Wie viel Bildbearbeitung verträgt der Foto-Journalismus?

Vor gut einer Woche wurde der Gewinner des World Press Photo des Jahres 2012 bekanntgegeben. Der schwedische Foto-Reporter Paul Hansen gewann mit einer Aufnahme einer Beerdigung von zwei Kindern im Gazastreifen diesen renommierten Preis. Nach anfänglicher Euphorie innerhalb der Fotojournalistengemeinde hat in den letzten Tagen die Diskussion um die Art und Weise der digitalen Bearbeitung des Siegerbildes an Fahrt gewonnen. Diese Diskussion soll an dieser Stelle kommentiert werden.

Jeder Nutzer der digitalen Fotografie weiß es: ein bisschen rumspielen an den Reglern für Kontrast und Sättigung und schon werden die zuerst noch dunklen, im Schatten liegenden Bildparteien auf ein Mal hell. Es ist ein einfacher Vorgang, der erst ein Mal keinerlei Manipulation des Bildinhaltes bedeutet. Zumindest lassen alle ethischen Grundsätze des Fotojournalismus dies bislang zu. Es geht hier um eine Optimierung am Bild so gemeinhin die Auffassung. Und trotzdem ist es ein Gegenstand der Diskussion.

Wer sich das Siegerbild von Hansen genauer anschaut, der sieht sehr schnell dass auch der schwedische Foto-Reporter in dieser Hinsicht sein Bild bearbeitet hat. Auffällig ist der artifizielle Charakter des Bildes, der so entsteht. Es wirkt ein bisschen unwirklich, die Farben unnatürlich. Und genau dass ist beklemmende an diesem Bild: Denn es stellt sich die Frage, ob dieses aus journalistischer Sicht gut gemachte Bild diese Form der Bearbeitung braucht und verträgt. Hinsichtlich der Bearbeitung ist vor allem zu bemängeln, dass es der Angleichung fotojournalistischer Bilder an Produkte der Werbefotografie weiter Vorschub leistet. Diese Tendenz, die schon seit mehreren Jahren zu beobachten ist, verstärkt sich weiter wenn Betrachter beim Anblick eines journalistischen Fotos aufgrund der digitalen Bearbeitung den Eindruck der Artifizialität bekommen.

Darüber hinaus ist zu überlegen, ob die entsprechenden ethischen Kodices, die eine solche Bearbeitung erlauben, noch zeitgemäß sind. Bildbearbeitung gab es schon immer sagen viele in der Branche und auch die analoge Fotografie lebte davon dass im Labor Farben und Kontraste angeglichen werden konnten. Die digitale Fotografie hat dies mit dem Siegeszug von Photoshop jedoch weiter vereinfacht. Insofern ist es berechtigt auch immer wieder aktuelle Standards zu hinterfragen.

Eine Sache jedoch darf mit der Diskussion um die Fragwürdigkeit der digitalen Bearbeitung des Bildes nicht vergessen werden: die Authentizität des Augenblicks der von Hansen eingefangen wurde und der wahrscheinlich auch die Jury überzeugte. Hansen hat ein tragisches politisches Ereignis eingefangen, welches Teil der Konflikt-Realität im Gazastreifen bedeutet. Hieran besteht kein Zweifel und sollten auch keine Zweifel genährt werden. Die Frage die sich hieraus jedoch ableitet, ist, ob ein solches Bild eine derartige Bildbearbeitung zur Unterstützung der Bildaussage braucht oder nicht.

Nicht zu unterschätzen ist dass mit der Auszeichnung von Bildern durch den World Press Photo Award Standards gesetzt werden. Und dies ist vielleicht das beunruhigendste an der diesjährigen Jury-Entscheidung. Denn damit wird eine alltägliche fotojournalistische Praxis der Bildbearbeitung, die vielleicht nicht ethisch falsch, aber durch fragwürdig ist, gewürdigt. Generationen von jungen, aufstrebenden Fotojournalisten auf der ganzen Welt orientierten und orientieren sich was Bildsprache und Visualität angeht an diesem Preis. Was mit dem Preis heute ausgezeichnet wird, ist morgen Standard im Fotojournalismus. Ob damit dem qualitativ hochwertigen Fotojournalismus ein guter Dienst erwiesen wurde, ist somit berechtigterweise in Frage zu stellen.


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