Montag, 5. Oktober 2015

Im Gespräch mit Tamar Garb für die iz3w


Wie die Gegenüberstellung zweier Fotografieausstellungen unter einem Dach einen spannenden kuratorischen und auch politischen Dialog herstellen kann, zeigte sich im Frühsommer 2015 im privaten Berliner Fotografiemuseum „C/O Berlin“. Zeitgleich mit der Ausstellung „Genesis“ des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado war dort das von der britischen Kunsthistorikerin Tamar Garb kuratierte Projekt „Distanz und Begehren – Begegnungen mit dem afrikanischen Archiv“ zu sehen. Deutlich wurde dabei, dass die Auseinandersetzung mit dem fotografischen Erbe des Kolonialismus aktueller denn je ist und bis heute große Relevanz für die zeitgenössische Fotografie hat.

Bei C/O Berlin war ein kleiner Ausschnitt aus diesem Projekt zu sehen, das in zwei Teilen in den Jahren 2013 und 2014 Premiere hatte. Entstanden ist die Ausstellung auf Initiative des deutschen Sammlers Arthur Walther, der in Neu-Ulm ein eigenes Museum betreibt. Mit Investmentbanking zu Geld gekommen, präsentiert er sich heute als Kunstmäzen. Die von ihm gegründete Walther Collection ist vor allem auf zeitgenössische Fotografie spezialisiert. Die Kuratorin Tamar Garb ist Kunsthistorikerin am University College London.

 
Ausstellungsansicht von "Distanz und Begehren" bei C/O Berlin.

Für die Zeitschrift iz3w führte ich im Frühsommer ein längeres Gespräch mit Tamar Garb. Ich fragte sie unter anderem, warum es ihrer Meinung nach wichtig sei, heute koloniale Fotografie auszustellen:

„Das koloniale Archiv ist ein sehr wichtiger Fundus, da es die materalisierte Spur einer Geschichte ist, die weiterhin erzählt und erklärt werden muß. Die Fotografie stellt uns einen physischen Nachlass über eine bestimmte Geschichte des Reisens und den damit verbundenen Machtverhältnissen zur Verfügung. Sie wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Zeit erfunden, als auch der Kolonialismus sich immer weiter ausdehnte. Wie die Eisenbahn ist die Fotografie eine Technologie, die sich das koloniale Projekt zu Nutze machte und auf vielfältige Art und Weise einsetzte. Heute versorgt sie uns mit einer Fülle an Objekten und Darstellungen, die nur darauf warten, dekonstruiert, interpretiert, nachgestellt oder verballhornt zu werden. Die Gefahr ist jedoch, den Blickwinkel der damaligen Zeit zu reproduzieren. Dem sind wir jedes Mal  ausgesetzt, wenn wir die Bilder zeigen. Die Notwendigkeit besteht also darin, diese reichhaltigen historisch Quellen zu verwenden, ohne die sie durchdringenden Denkmuster zu reproduzieren“.

Das komplette Interview findet sich im Heft 350 der iz3w. Die Zeitschrift ist online zu beziehen. Im Steidl Verlag ist ein englischsprachiger Katalog (Distance and Desire: Encounters with the African Archive) mit Essays zum Themenkomplex der Ausstellung erschienen (352 Seiten, 68 Euro).


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen